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„If It’s Not Fun, Why Do It?” - Minimalismus, Vanlife & eine neue Art von Freiheit

"Hier will ich leben." An diesem Spruch können sich meine Eltern und mein Bruder gut erinnern. „Du kannst überall leben,“ antwortete meine Mutter vom Beifahrersitz aus. Papa lächelte in sich, zog an seiner Zigarette und fuhr weiter.

Vielleicht liegt meine Tendenz, immer wieder meine Zelte abzubauen und neu anzufangen an der Tatsache, dass mein Papa alle zwei Jahre woanders stationiert wurde. Abschied nehmen und neue Freunde machen war normal. Bestimmt war das der Grund warum für mich jedes good-bye im Leben zu drei neuen Hallos führt. Meine kleine Hexenregel, die mir das Leben als Kind erleichtert hat.


Angefangen hat mein van-life mit dem verzweifelten Versuch meine Ehe zu retten. Der 1995, 2,5 liter T4, den die Kinder später zu Paul tauften, war und ist immer noch ein wahrer Mann. Wie Frau es leicht vermuten kann, hat mein Rettungsversuch eine neue Konstellation in dem Begriff „Ehe“ geformt. Darf ich euch das folgende Bild vorstellen? Das ist Paul, mein Ehebus.


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Meine ersten Reisen brachten mich eher zu bekannten Plätzen, innerhalb Deutschlands, wie Mittenwald oder Krün. Die Berge waren schon immer meine Kirche und Karwendel war die Bergregion, die diese absolute Kraft und Energie für mich am meisten von sich strahlt. Ja, da findest du wahre Maskulinität. Die Berge machen einem nichts vor. Salzburg brachte mir eines Jahrs im Spätseptember noch  heissse Tage, die mir das Abkühlen im See mit den Kühen noch erlaubte.

Als ehemalige, hauptsächliche Beifahrerin, wurde mir meine Unfähigkeit und Inkompetenz in der Navigation ziemlich plötzlich mehr als Bewusst. Es war nicht zu selten, dass ich das Öfteren die Autobahn verlassen und wieder drauf fahren musste, um mich in der richtigen Richtung wieder zu platzieren. Um diese neuen, gelernten Talente zu verfeinern, entschied ich mich, mein Navi auszuschalten und zurück zum guten alten Atlas zu greifen, und habe damit das Tor zur Welt und die Verhältnisse der Regionen zu einander im Ganzen entdeckt. Endlich weiß ich wo ich bin….na ja in etwa. Perfekt sein ist langweilig, oder? 😊


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So langsam traute sich Petra die weiteren Strecken. Österreich, Kroatien, Südtirol, die Schweiz. Am Anfang fand ich immer abgelegte Wanderparkplätze, die mir eine schöne, ruhige Nacht boten. Manchmal hatte ich sogar das Glück, ein Dixi-klo am Parkplatz zu haben, manchmal war ich mit kleiner Handschaufel unterwegs. Tja, das sind nun mal die unangenehmen Dinge, die aber auch dazu gehören. Ich könnte ja auch zu einem Camping Platz fahren, und den Luxus von zu Hause genießen: unendlich Strom und Wasser, Dusche, Waschmaschine, sogar eine Hundedusche. Bin aber gleichzeitig von Menschen, Autos, Zivilisation umgeben. Ist das nicht genau das, was ich nicht mehr in meinem minimalistischen Lebensstil will?



Viele meinen, dass man auf gutes oder wie sagen sie….richtiges Essen verzichtet und ab und zu ins Restaurant gehen müssen, um was „Gescheites“ zu bekommen. Ich kann nur das Gegenteil behaupten. Ich weiß nicht ob es an der frischen Luft liegt, oder an meiner Wandertour des Tages, aber ich bekomme das Essen in einem Haus nicht so lecker hin, wie in Paul. Vielleicht weil es minimalistisch ist und nicht von noch mehr Geschmacksvariationen ertrunken wurde?


Mit der Pandemie nahm der Spaß im abenteuerlichen van-life eine drastische Wendung. Plötzlich kauften alle ein Camper, und fuhren los in die wunderschönsten Gebiete unseren Ländern. Natürlich waren damit die schönsten Regionen in Bayern, Baden-Württemberg, Tirol und Österreich damit betroffen. Von überall strömten massive Gefährten, parkten quer und nahmen gleicht 3 Parkplätze. Na ja, immerhin machte es ein geiles Instagram Foto. Es war aber nicht nur die Quantität des Campers, die sich bereits am Rande der Straße, die zu den Wanderparkplätzen führten, hinstellen mussten, weil die Parkplätze voll waren, sondern Hilfsmittel wie die App park4night haben der Lage auch nicht geholfen. Im Gegenteil, es brachte noch mehr Leute, die sich bequem und ohne Mühe ihre Plätze ergatterten. Eine absolute Invasion für die Bewohner mancher Dörfer. „Eigentlich fing es mit einem Camper an. Plötzlich waren es sechs an unseren kostenfreien Parkplatz“ sagte meine Freundin aus dem Allgäu. “Und dann blieben die für 2 Wochen,“ lachte sie zum Schluss.


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Das bringt mich zum nächsten recht unangenehmen Punkt. Wie wir bereits vorher gelesen haben, hat der Mensch bestimmte Bedürfnisse, die auch irgendwann nicht mehr ignoriert werden dürfen, und angegangen werden müssen. Und damit begann der Shitstorm im wahrsten Sinne des Wortes. Frage nicht, wo man sein Geschäft unbedeckt überall liegen lassen kann. Wildcamping wurde zum Unding, und Menschen wie ich, die mit meinem Bus eher in die Landschaft einblenden möchten, wurden plötzlich im gleichen Topf gesteckt, wie die, die ihr Haus mit gesamtem Inventar auf Rädern stellt und los düsen.


Und hier kommt die moralische Bedeutung vom van-life, die zu meinen neuen Lebensweisheiten führen. Klar, dachte ich, dass jetzt alles vorbei ist. Alle Parkplätze werden gesperrt, Anwohner zeigen an, Polizei und Ordnungsamt kontrollieren und schmeißen raus. Frage nicht was man alles aus Wanderparkplätze machen kann. Von Geburtstagsfeiern zu Türkischen Bazar….alles ist möglich. Mit der Zeit aber, haben viele auch gemerkt, dass nicht jeder ein Pappenheimer ist, und dass man mit manchen Leuten auch reden kann.


Mit ein bisschen Achtsamkeit, und Bescheidenheit, kam ich oft als eine von den Guten rüber. So lässt mich dann doch der Förster die eine Nacht bleiben, wenn ich schon da bin und einen ordentlichen Eindruck hinterlasse, oder der Bauer, der es ganz putzig findet, eine alleinstehende Frau mit Bus zu sehen, und lässt mich hinter dem Schweinestall mich hinstellen. Ahhh, die Landluft mit ausreichend Fliegen.


Natürlich bleibt es spannend, wenn man den einen oder anderen Platz wagt, in der Hoffnung, dass der Bauer morgen nicht hinter seine Scheune fährt, oder der Förster nicht an sein Holzlager muss. Aber ganz ehrlich, das ist Freiheit, manchmal anstrengend, aber immerhin Freiheit. Es besteht nicht nur aus reinem Abendteuer und Spaß, das tun wozu man Lust hat, unabhängiges und ungebundenes Leben, sondern auch die Herausforderungen, ein Leben außerhalb der systemmische Ordnung und Überfluss zu meistern, und gleichzeitig sich geborgen, sicher und irgendwie doch sich in Pauli zu Hause zu fühlen. Ein ständiges inkognito und doch präsentes Leben mitten in der Mainstream Pseudo-Realität.


Meine besten Spots? Sag ich nicht. So wie die Pilzsammler ihre guten Plätzchen nicht verraten, behalte ich meine schönen unberührten Plätzchen auch mein Geheimnis. Ausfallmöglichkeiten sind immer Sportplätze, Kletterhallen und Friedhöfe. Das letztere ist besonders ruhig, aber nicht unbedingt my first choice 😉


Du bist Frau und träumst von einem Abenteuer van-life, traust dich aber nicht? Da muss ich einfach die Frage stellen, wovor hast du Angst? Wenn man lange drüber nachdenkt, dann bin ich mir sicher, dass man an ganz, ganz vielen schlimmen Dingen, die passieren könnten, denken und vorstellen. Am besten mit super schlimmen Szenarien. Und das Schlimmste ist, dass man die nicht ausschließen kann. Von Einbruch bis Alien Entführung, alles ist da draußen möglich. Frau kann sich aber auch andere Vorstellungen machen. Ruhe, Natur, Sternenhimmel, rauschender Fluss, ein vorhandenes Dixie Klo. Wollen wir nicht lieber uns solche Vorstellungen machen?


Dazu braucht man nur folgende Zutaten:

  • Vertrauen

  • Loslassen                                                                                                                           

  • Gelassenheit

  • Geile Musik


Und schon ist man unterwegs. Ach und Hund ist immer gut.


Van-life ja oder nein? Also ich kann nicht immer tolle Staufreie Zeiten, saubere Toiletten, oder dauernd Atemberaubende Parkmöglichkeiten garantieren, aber ich könnte mir kein Leben ohne diese Freiheit vorstellen. Nächstes Jahr kommt dann die große Reise ins unbekannte Osten und den großen Schritt: die Abmeldung von Deutschland. Mal schauen wo mich die Reise des Lebens bringt.

Vielleicht sieht man sich mal on the road. Ich bin die, mit dem Aufkleber:


If It’s Not Fun, Why Do It?”


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Alles Liebe, Deine Petra



PS: Dich inspiriert Petras Lebensstil? Du möchtest Kontatk mit ihr aufnehmen? Dann schreibe einfach eine Mail an contact@soulacademyanette.com und wir leiten Deine Nachricht weiter.

 
 
 

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