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Mut als Quelle des Wachstums

In diesem besonderen Interview-Format habe ich die Gelegenheit, mit einer der wichtigsten Personen in meinem Leben zu sprechen – meiner Mutter, Monika Große. Sie hat mir nicht nur das Leben geschenkt, sondern auch durch ihre pragmatische Art und ihren Mut, Herausforderungen direkt zu begegnen, meine Perspektiven entscheidend geformt. Ihre Geschichte ist geprägt von einer beeindruckenden Flucht aus der DDR im Kofferraum eines GI´s, dem Mut und Zauber, dem aller Anfang innewohnt und einer erfüllenden Arbeit als Ärztin. Ihre Erlebnisse bieten wertvolle Einsichten in Themen wie Freiheit, PowerFrau und Entschlossenheit. Monika ist inzwischen 87 Jahre alt und lebt, trotz vielfacher körperlicher Einschränkungen nach wie vor in ihrer eigenen Wohnung im Süden Deutschlands. Sie hat vieles, das unsere Denk- und Sichtweise positiv beeinflussen kann.


Monika, wenn ich Dich mit einem Worte beschreiben müsste, dann wäre das ganz klar MUT. Wie hat er Dich geprägt und wodurch?

Nun, trotz der Unsicherheit und der vielen Fragen, die ich damals vor und nach meiner Flucht hatte, habe ich immer entschlossen nach vorne  geschaut. Mut hieß damals für mich, Entscheidungen auch zu treffen, wenn sie unbequem oder gar lebensgefährlich sein können. Denn immerhin hätte ich auch geschnappt werden können weshalb ich mir vorher die Stasi Gefängnisse angeschaut habe. Allerdings war ich mir der Besonderheit nie bewusst. Ich habe damals alles, wirklich alles, hinter mir gelassen. Auch war ich am Mittag zuvor noch ein letztes Mal bei meiner Mutter, ohne ein Worte darüber zu verlieren und wusste nicht, ob ich sie je wiedersehe. Ich bin also komplett ins Unbekannte gesprungen und das erforderte nicht nur Mut, sondern auch unerschütterlichen Glauben an die Hoffnung, dass etwas Besseres auf der anderen Seite wartete. Es war eine der mutigsten Entscheidungen meines Lebens. Ich wusste, was ich zurückließ, aber nicht, was mich erwartete.


Welche Erinnerungen sind Dir von dieser Zeit geblieben?

Das Ankommen im Westen war absolut überwältigend. Nach der spektakulären Fahrt, dem Umsteigen im Dunkeln irgendwo auf einem Autobahnrastplatz, ausgeliefert an zwei Männer, die ich nicht kannte - ich musste mich ebenso zu jeder Zeit immer so aus und ins Auto drehen, dass ich das Nummernschild nicht sehen konnte - stieg ich aus und wurde mit den Worten `Herzlich Willkommen in der Bundesrepublik Deutschland´ empfangen. In diesem Moment fühlte ich: ICH BIN FREI! Man denkt, es ist ein normaler Schritt, aber für mich war es der erste wirkliche Akt wahrer Freiheit. Ich wollte sie. Ich wollte kein System, von dem man geschoben und kurz gehalten wird, wo sich jeder wegduckt oder/und gegeneinander arbeitet. Das hier war meins. Die Dinge selbst in die Hand nehmen!


Wie hast du es geschafft, fernab der Heimat Fuß zu fassen?

Es lief darauf hinaus, aktiv zu sein. Im Westen wurde ich schnell mit der Realität konfrontiert, dass Du die Dinge selbst in die Hand nehmen musst. Es gab niemanden, der Dir den Weg zeigte oder Dir sagte, was Du tun solltest. Aber ich liebte ja die Eigeninitiative. Erst einmal musste ich ja warten ehe ich mich in einem `Auffanglager´ melden durfte und so reiste ich erst einmal rum. Nach ein paar Tagen ging in der Nähe in eine Lungenfachklinik, mein Fachgebiet, und fragte nach einer Stelle. Der Chefarzt war interessiert an meiner Geschichte und bastelte aus diversen Planstellen für mich eine, die ich kurze Zeit später antreten konnte. Ich konnte es kaum fassen. Das war das erste Mal, dass ich um meiner selbst Willen anerkannt wurde.


Welche kleinen Dinge bereiten Dir, damals wie heute, Freude?

Es sind die alltäglichen Begegnungen und kleinen Erlebnisse, die das Leben so lebenswert machen. Die einfachen Dinge – ein freundliches Gespräch, eine nette Geste eines Anderen… Ich habe damals viel Herzlichkeit, Menschlichkeit wie Miteinander erfahren und das zählt für mich bis heute.


Wie hat Dir Dein Glaube in schwierigen Zeiten geholfen oder ist er in dieser bewegten Zeit eher in den Hintergrund gerückt?

Oh, ganz und gar nicht. Er war damals genau so präsent und gab mir besonderen Halt. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich geführt werde. So wie wir es meiner Meinung nach alle sind v.a. wenn wir tun, was uns eingegeben wird bzw. wir uns selbst folgen. Auch heute noch finde ich Trost und Stärke darin, darauf zu vertrauen, dass es mehr gibt, als wir manchmal sehen oder verstehen können.


Wie hast du die Beziehung mit Deinem verstorbenen Mann erlebt?

Wir hatten ja ein intensives Kennenlernen: Er erinnerte sich nach meiner Flucht an mich, die ich ab und zu im Sommer im gleichen Ort unserer Kindheit war, hatte von meinem Weggang erfahren und wollte über die Polizei Kontakt mit mir knüpfen, was diese peinlich genau prüfte. So wurde er von Zimmer zu Zimmer geleitet, jede Tür hinter ihm wurde zugeschlossen und man nahm ihn auseinander, scannte ihn denn als DDR Flüchtling konnte es jederzeit passieren, dass ein Spitzel sich als einen Kontaktsuchenden ausgab und das wäre mein Todesurteil gewesen.

Kurze Zeit nachdem wir zusammen waren, heiratete meine jüngste Schwester und es stand ja völlig ausser Frage, dass ich diesen Tag mit ihr im Osten hätte verbringen können. Das alles ist heute schwer zu verstehen. Jedenfalls hatte ich ihr versprochen, dass sie von mir den Brautstrauß erhält. Mein Mann hat sich dann bereit erklärt, ihn dorthin zu fahren. Ja, er fuhr extra für einen Blumenstrauß wie in einer Heldenreise über die Grenze. Ich bangte in der Zeit sehr um ihn und war überfroh, als er unversehrt und unbehelligt von der Stasi wieder zu Hause ankam.

(Erklärung: Mein Vater wurde später sehr alkoholkrank und es war ein ewiger Konflikt, dass Monika trotz aller Gemeinheiten immer bei ihm blieb. Erst im Rahmen des Interviews und der Frage nach dem Warum `Ich wollte immer für andere da sein´ wurde klar, warum sie immer an seiner Seite blieb.)


Welche Herausforderungen hast Du in Deiner Laufbahn als Ärztin erlebt?

Der Antrieb für meinen Beruf war immer der Wunsch zu helfen und da zu sein. Natürlich wurde mir das ein Stück weit in die Wiege gelegt, da mein Vater Chefarzt in einer Berliner Psychiatrie war und mir immer vorlebte, mit welchem tiefen Menschenverständnis man als Arzt seine Arbeit tut. Aber ich wollte auch einfach das Leben Anderer positiv beeinflussen.


Welche Rat würdest Du der jüngeren Generation mitgeben?

Mein Rat ist einfach:

Sei mutig und mach, was Du für richtig hältst. Es ist wichtig, auf Deine Stimme zu hören und Dich nicht von Angst leiten zu lassen. Der Schlüssel liegt darin, seiner eigenen Überzeugung zu folgen und den Mut zu haben, Entscheidungen zu treffen, die bedeutungsvoll für das eigene Leben sind. Ich hoffe, dass zukünftige Generationen den Mut finden werden, ihren eigenen Weg zu beschreiten.


Welche Hoffnungen hast Du für die Zukunft?

Das knüpft an die Frage von eben an: Ich wünsche mir, dass jeder seiner eigenen Führung folgen kann und dabei grundehrlich zu sich selbst ist.


Anette:

Du hast so viel Mut bewiesen in Deinem Leben. Ich schieße mich Deinen Worten absolut an: Wir sollten wieder mutiger werden. Die Dinge ändern wenn sie uns behindern, Angst machen oder unseren Werten wiedersprechen. Mögen wir aus Deiner Stärke und Entschlossenheit Kraft schöpfen und lernen, unseren eigenen einzigartigen Weg zu finden. In Dankbarkeit für all die Weisheiten, die Du uns mitgeteilt hast.

 
 
 

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